Freitag, 16. September 2022

Hans Müllermann


Glück ist oft das, was man nicht sieht,

weil es uns zu nah vor Augen liegt

Man sucht es wie eine Brille grad,

die man doch auf der Nase hat

Glück ist bekanntlich ein Geschenk,

dass auf uns zukommt,

doch bedenk, dass wirklich glücklich nur der ist,

der auch zum Glücke sich entschließt.

(Sébastien-Roch Nicolas de Chamfort)


So ergeht es auch dem Müller Hans Müllermann. Er lebt ganz alleine in seiner Mülle, hat weder Frau, noch Kinder. Tagein tagaus erledigt er allein seine Arbeit und sehnt sich mehr und mehr nach einem Freund. Immer unzufriedener wird er. Eines Tages sitzt auf seinem Fenstersims eine kleine grüne Raupe auf. Hans Müllermann aber schubst sie auf den Boden und geht ins Bett. Am nächsten Morgen aber sitzt die kleine Raupe auf dem Rand seines Hutes, wo sie auch bleibt und Hans bei seiner Arbeit Gesellschaft leistet. Doch Hans sieht sie nicht als diese. Im Gegenteil, er wird garstig zur kleinen Raupe und macht ihr Vorwürfe, dass sie unnütz sei. Hans Müllermann erkennt nicht die Chance der Freundschaft bei der kleinen Raupe, sondern entschließt sich in seiner ganzen Unzufriedenheit über seine Einsamkeit in die Welt zu ziehen, um einen Freund und das damit verbundene Gefühl von Glück zu finden und lässt die kleine grüne Raupe allein zurück. Unterwegs trifft er eine Schneeflocke und fragt sie, ob sie seine Freundin sein möchte, doch diese schmilzt weg, bevor sie noch antworten kann. Eine Blume verwelkt, noch bevor sie ihm antworten kann. Der Fuchs haut ins Kornfeld ab. Keiner lässt sich auf eine Freundschaft ein. Auch der Wind nicht. Er erinnert Hans daran, dass auf sie beide noch Aufgaben warten, die erledigt werden möchten. So kehrt der Müller zu seiner Mühle und seinen Feldern zurück – und erlebt eine Überraschung: Zu Hause wartet ein wunderschöner Schmetterling auf ihn, der schönste Schmetterlinge,  den er je gesehenhat. Da erkennt er seinen Fehler, denn es ist die Raupe, die Hans zuvor so abfällig behandelt hatte. Doch der Schmetterling vergibt dem Müller und bleibt bei ihm. 

1969 erschien die Erstausgabe des Klassikers >Hans Müllermann< von Bernadette. Es war Bernadettes erste eigene Erzählung. Zu ihrem 80. Geburtstag hat Bernadette das Werk vollständig neu illustriert, welches im Frühjahr im NordSüd Verlag erschienen ist. Die farbenfrohen und strahlenden Illustrationen verleihen der Geschichte neuen Glanz. Ob das Brausen des Herbstwindes, die märchenhafte Vollmond-Stimmung oder wenn die Sonne strahlt, Bernadette hat in diesem Bilderbuch, in dem sie warmherzig von der Einsamkeit, der Suche nach Glück und Freundschaft und Vergebung schreibt, in ihrem einzigartigen Stil stimmungsvolle Landschaften illustriert. Aber auch den Unmut von Hans Müllermann, dessen Traurigkeit, Überraschung und Freude lässt Bernadette die Leser:innen durch ihre Illustrationen spüren. 

Montag, 12. September 2022

3 2 1 Anna und Oma zählen los


Die Sommerferien haben begonnen und Annas Kindergartenfreunde erzählen von ihren bevorstehenden Reisen. "Und wohin fahren wir, Oma?", fragt Anna. "Wir beide machen am tollsten Ort der Welt Urlaub, Anna - bei mir zu Hause! Wir können Saxophon hören, Kunstwerke malen und spätabends im Garten Pfannkuchen essen. Kein Flug, kein Stress!" ist Omas Antwort. Natürlich ist Anna gar nicht begeistert und will wenigstens das Kuschelkaninchen aus dem Schaufenster, denn damit könnte sie nach den Sommerferien bei ihren Freunden angeben und alle wären neidisch. Doch Oma findet das Kuscheltier mit 50 Kronen ganz schön teuer. Doch Oma hat eine Idee. Anna soll sich um die fünf Häuser der verreisten Nachbarn kümmern, was Oma normalerweise tut. Sie würde einen Zehner für jedes Haus bekommen. 10 Kronen, 5 Häuser, 50 Kronen. "Babyleicht!", sagt Anna und willigt in den Handel ein. Während Oma es sich also im Garten gemütlich macht oder malt, muss Anna arbeiten. 1 Schlange in Haus Nummer 1, 2 hungrige Kaninchen, die 2-mal am Tag 2 Mohrrüben bekommen, in Haus Nr. 2, 3 Vögel in Haus Nummer 3, die 3 Körnerknödel brauchen, in Haus Nummer 4 muss eine Pflanze mit 4 Tomaten gegossen werden und im Haus Nummer 5 brauchen 5 Fische jeden Tag 5 Flocken Fischfutter! Das ist doch ganz schön viel Arbeit, stellt Anna fest. Es wäre doch viel einfacher, wenn alles an einem Ort versammelt versorgt werden kann. Doch beim Nachzählen stellt sie fest, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, alle Tiere und Pflanzen in einem Haus zu stationieren. Da fehlt doch wer. Und Oma muss mit der Schlange zum Tierarzt, was nicht ganz billig ist. Am Ende kommt Oma abzüglich der 50 Kronen auf minus 188 Kronen. Doch für minus 188 Kronen kann man keinen Kuschelhasen kaufen. Im Gegenteil. Anna ist wütend und findet es ungerecht. Doch am Ende kommt Anna zum Leidwesen ihrer Oma doch noch zu ihrem Glück. Vielleicht wäre da ein Kuschelhase das kleinere Übel gewesen. 

Das Zähl-Bilderbuch >3 2 1 Anna und Oma zählen los< aus dem Verlag Beltz & Gelberg wird Kinder und Erwachsene gleichermaßen amüsieren. Die originellen, comicartigen Bilder voller lustiger Details fallen sehr auf zwischen den weitverbreiteten niedlichen Bilderbuch-Illustrationen, die man gewohnt ist. Die Körpersprache von Anna spricht Bände. Einfach zu komisch. Die Texte sind kurz und altersgerecht geschrieben. Ein rundum unterhaltsames Bilderbuch. 


 

Freitag, 9. September 2022

Jon und die vierte Zimtschnecke


Für Kinder ist es meist schon eine gehörige Umstellung, wenn sie ein kleines Geschwisterchen bekommen. Eine sensible Phase mit meist gemischten Gefühlen. Oft müssen die "Großen" Rücksicht nehmen, sich an neue Tagesabläufe, die ein Geschwisterchen mit sich bringt, anpassen, selbstständiger werden,... das verunsichert die großen Geschwisterkinder sicher und wirbelt viele Emotionen durcheinander. So ergeht es auch Jon im Bilderbuch >Jon und die vierte Zimtschnecke< aus dem Verlag mixtvision.

Jon liebt Zimtschnecken. Jeden Sonntag läuft er zum Bäcker und kauft drei Zimtschnecken. Eine für Mama, eine für Papa und eine für sich. Eines Tages wird seine kleine Schwester geboren und Jon kauft vier Zimtschnecken. Eine für Mama, eine für Papa, eine für sich und eine für seine kleine Schwester. Klar. Doch Zuhause angekommen, lachen ihn seine Eltern aus. Die kleine Schwester könne doch keine Zimtschnecke essen. Geknickt verlässt Jon das Haus. In der einen Hand seine Zimtschnecke und in der anderen Hand die Zimtschnecke, die er seiner Schwester mitgebracht hatte. Nachdenklich setzt er sich unter den einzigen Baum auf ihrem Grundstück und fragt sich laut, wer die vierte Zimtschnecke nun essen soll. Da antwortet der Baum, dass er sie gerne hätte. Jon meint sich verhört zu haben, denn seit wann können Bäume sprechen. Dieser kann es und wenn er was besonders mag, dann sind es Zimtschnecken. Von da an kauft Jon immer vier Zimtschnecken. Eine für Mama, eine für Papa, eine für sich und eine für den Baum. Und wann immer Mama mit Jule beschäftigt war, wann immer Papa mit Jule beschäftigt war. Wenn immer er sich einsam fühlte, lief er zu dem Baum. So vergingen der Sommer, der Herbst, der Winter und als der Frühling einzog, bekam der Baum wieder Knospen, aus denen Blüten wurden und aus den Blüten wurden doch tatsächlich Zimtschnecken. Begeistert rennt er ins Haus, um davon zu berichten. Alle, auch Jule, die mittlerweile schon ihre ersten Schritte machte, kamen mit nach draußen und staunten. Und Jon startete einen neuen Versuch seine kleine Schwester für Zimtschnecken zu begeistern. Er steckte ihr ein Stück in den Mund und sie strahlte. Klar, dachte Jon stolz, sie ist meine Schwester. 

Die Idee hinter dieser Geschichte gefällt mir sehr gut, aber die Reaktion der Eltern, besonders auf die vierte mitgebrachte Zimtschnecke, hätte ich mir anders gewünscht. Natürlich entspricht es zum Großteil der Realität, das groß Geschwister zurück stecken müssen, aber hier hätte ich mir mehr Empathie gewünscht. Die Eltern hätten Jon dafür loben können, dass er an seine Schwester gedacht hat und ihm dann erklären können, dass sie noch zu klein für Zimtschnecken ist. Diese Bilderbuchgeschichte ist ja sicher dafür gedacht sie mit (zukünftigen) großen Geschwisterkindern zu lesen. Doch so würde sie sich sicher nicht besonders positiv auf den Gemütszustand auswirken. Schön ist, dass kleine Leser:innen Jons Gefühlschaos miterleben können und so merken, dass es in Ordnung ist, so zu fühlen. Schön ist auch die Idee mit dem Baum, der für Jon als Rückzugsort dient. Doch Jon wird von seinen Eltern mit seinen Gefühlen allein gelassen und es vergeht ein Jahr (in der Geschicht), bis diese wieder auf der Bildfläche auftauchen.

Die liebevollen und zauberhaften Illustrationen gefallen mir sehr. Sie erstrecken sich immer über eine Doppelseite, in die der altergerecht geschriebene Text eingefügt ist. Mit warmen Farben fängt Thais Mesquita die die Natur perfekt ein. Die Bilder geben das wieder, was in der Geschicht angesprochen wird. Sie sind groß, deutlich und nicht überladen, so dass es kaum Ablenkung gibt. Mimik und Körpersprache sind durch die Illustrationen deutlich zu erkennen und nachzuempfinden. Sehr gelungen, wie ich finde.

Eine zauberhaft illustrierte und zum Teil herzerwärmende Bilderbuchgeschichte über Veränderungen, die kleine Geschwister mit sich bringen können, deren Umsetzung leider an der einen oder anderen Stelle in meinen Augen nicht ganz gelungen ist. 


Mittwoch, 7. September 2022

Pause für den Kopf




Ein Umzug. Der Wechsel in einen neuen Kindergarten. Hausaufgaben. Zu viele Termine nachmittags. Prüfungen. Zu große Klassen. Druck mit anderen mithalten zu können. Dies können alles Auslöser für Stress sein. Stress beginnt nicht erst im Erwachsenenalter. Immer mehr Kinder und Jugendliche fühlen sich im Alltag stark unter Druck gesetzt und überfordert. Dadurch leidet ihr seelisches und körperliches Wohlbefinden.

Einige Kinder können schlechter schlafen, andere bekommen Hautausschlag oder müssen gegen Versagensängste ankämpfen. Doch mithilfe von Achtsamkeitsübungen können Groß und Klein lernen, ihre Bedürfnisse besser wahrzunehmen, ausgeglichener zu werden und so die auf ihren Schultern gefühlte Last zu reduzieren. 

Dieses absolut klasse gestaltete Buch enthält eine Vielzahl von Achtsamkeitsvorschlägen für Kinder ab acht Jahren. Ein Mandala mit Naturmaterialien legen, Origami falten, Tagebuch schreiben, spazieren gehen und dabei bewusst in der Natur die Umwelt wahrnehmen, Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen und viele abwechslungsreiche Ideen mehr, um Kindern zu mehr Ruhe und Selbstbewusstsein zu verhelfen, die Konzentrationsfähigkeit zu fördern sowie Stress abzubauen, beinhaltet dieses toll gestaltete Buch. Ich bin sehr angetan von der scrapbookartige Gestaltung des Buches. Durch den Mix aus Illustrationen und Fotos, verschiedene Schriftgrößen und -farben, bunte Informationskästen, illustrierte Washi-Tape-Streifen, welche mal linierte, mal karierte und mal Blankoblätter mit Texten zieren und eine fantastische Farbgestaltung macht es richtig Spaß in diesem Buch zu schmökern. Auch die Ideen gefallen mir sehr. Hier kann ich auch für mich und meinen Zwerg Anregungen finden und passend für uns ableiten. Einfach genial! 


Freitag, 2. September 2022

ZIM GEFURTSTAG VIEL GLÜCK


 Ist er nicht niedlich, der Stinkelpinkel? Aber das mag er gaaanz sicher nicht hören. 🤣  Der Stinkelpinkel mag alles, was stinkt, zwackt, juckt und rülpst. Er liebt es in Schlammpfützen zu versinken. Aber was er so gar nicht mag, ist es eine schöne Geburtstagsfeier zu feiern, wie wir sie höchstwahrscheinlich feiern würden. Mit Geburtstagsständchen, Torte und tollen Geschenken. Und so kommt es, dass er am seinem Geburtstag am liebsten in seinem Schuppen bleiben würde, weil er befürchtet, dass seine Freunde eine tolle Geburtstagsparty für ihn veranstalten wollen. Doch den ganzen Tag im Schuppen verbringen? Laaangweilig. Aber doch besser, als ein schöner Geburtstag. Aber mit ein wenig Hoffnung, dass die Anderen seinen Geburtstag vergessen haben, tritt er dann doch vor die Tür. Kaum draußen, muss er feststellen, dass wirklich alle sich versammelt haben, um seinen Geburtstag zu feiern und schon schmettern sie los: "Wir wünschen dir einen stinkgräßlichen Geburtstag! Einen stinkgräßlichen Gefurztag! Einen stinkgräßlichen Gefurztag!..." Der Stinkelpinkel traut seinen Ohren kaum. Das war erstklassig schlecht. Ganz nach seinem Geschmack. Und nach seinem Geschmack geht es auch weiter. Es gibt eine widerliche Torte und ein abscheuliches Geschenk. Stinkelpinkels Freunde haben wirklich keine Mühen gescheut, um den allergrässlichsten Gefurtstag für Stinkelpinkel zu organisieren. Stinksauer vor Glück geht Stinkelpinkel an diesem Abend ins Bett. Doch schlafen kann er nicht. In seinem Kopf rumpelt und pumpelt es. Plötzlich hat er einen Einfall. Er steht wieder auf, denn er hat eine Menge zu tun. Was er zu tun hat? Das erfahrt ihr in der Geschichte. 

Eine fürchterlich komische und absolut grässlich liebevolle Geschichte mit widerlich niedlichen Illustrationen über das Anderssein, Toleranz und Freundschaft. Diese Geschichte zeigt kleinen und großen Leser:innen, dass Freundschaft bedeutet die Welt des Anderen kennenzulernen und auszuprobieren, auch mal was zu tun, was man vielleicht nicht so mag, füreinander da zu sein und die Macken des Anderen einfach so hinzunehmen.