Freitag, 9. September 2022

Jon und die vierte Zimtschnecke


Für Kinder ist es meist schon eine gehörige Umstellung, wenn sie ein kleines Geschwisterchen bekommen. Eine sensible Phase mit meist gemischten Gefühlen. Oft müssen die "Großen" Rücksicht nehmen, sich an neue Tagesabläufe, die ein Geschwisterchen mit sich bringt, anpassen, selbstständiger werden,... das verunsichert die großen Geschwisterkinder sicher und wirbelt viele Emotionen durcheinander. So ergeht es auch Jon im Bilderbuch >Jon und die vierte Zimtschnecke< aus dem Verlag mixtvision.

Jon liebt Zimtschnecken. Jeden Sonntag läuft er zum Bäcker und kauft drei Zimtschnecken. Eine für Mama, eine für Papa und eine für sich. Eines Tages wird seine kleine Schwester geboren und Jon kauft vier Zimtschnecken. Eine für Mama, eine für Papa, eine für sich und eine für seine kleine Schwester. Klar. Doch Zuhause angekommen, lachen ihn seine Eltern aus. Die kleine Schwester könne doch keine Zimtschnecke essen. Geknickt verlässt Jon das Haus. In der einen Hand seine Zimtschnecke und in der anderen Hand die Zimtschnecke, die er seiner Schwester mitgebracht hatte. Nachdenklich setzt er sich unter den einzigen Baum auf ihrem Grundstück und fragt sich laut, wer die vierte Zimtschnecke nun essen soll. Da antwortet der Baum, dass er sie gerne hätte. Jon meint sich verhört zu haben, denn seit wann können Bäume sprechen. Dieser kann es und wenn er was besonders mag, dann sind es Zimtschnecken. Von da an kauft Jon immer vier Zimtschnecken. Eine für Mama, eine für Papa, eine für sich und eine für den Baum. Und wann immer Mama mit Jule beschäftigt war, wann immer Papa mit Jule beschäftigt war. Wenn immer er sich einsam fühlte, lief er zu dem Baum. So vergingen der Sommer, der Herbst, der Winter und als der Frühling einzog, bekam der Baum wieder Knospen, aus denen Blüten wurden und aus den Blüten wurden doch tatsächlich Zimtschnecken. Begeistert rennt er ins Haus, um davon zu berichten. Alle, auch Jule, die mittlerweile schon ihre ersten Schritte machte, kamen mit nach draußen und staunten. Und Jon startete einen neuen Versuch seine kleine Schwester für Zimtschnecken zu begeistern. Er steckte ihr ein Stück in den Mund und sie strahlte. Klar, dachte Jon stolz, sie ist meine Schwester. 

Die Idee hinter dieser Geschichte gefällt mir sehr gut, aber die Reaktion der Eltern, besonders auf die vierte mitgebrachte Zimtschnecke, hätte ich mir anders gewünscht. Natürlich entspricht es zum Großteil der Realität, das groß Geschwister zurück stecken müssen, aber hier hätte ich mir mehr Empathie gewünscht. Die Eltern hätten Jon dafür loben können, dass er an seine Schwester gedacht hat und ihm dann erklären können, dass sie noch zu klein für Zimtschnecken ist. Diese Bilderbuchgeschichte ist ja sicher dafür gedacht sie mit (zukünftigen) großen Geschwisterkindern zu lesen. Doch so würde sie sich sicher nicht besonders positiv auf den Gemütszustand auswirken. Schön ist, dass kleine Leser:innen Jons Gefühlschaos miterleben können und so merken, dass es in Ordnung ist, so zu fühlen. Schön ist auch die Idee mit dem Baum, der für Jon als Rückzugsort dient. Doch Jon wird von seinen Eltern mit seinen Gefühlen allein gelassen und es vergeht ein Jahr (in der Geschicht), bis diese wieder auf der Bildfläche auftauchen.

Die liebevollen und zauberhaften Illustrationen gefallen mir sehr. Sie erstrecken sich immer über eine Doppelseite, in die der altergerecht geschriebene Text eingefügt ist. Mit warmen Farben fängt Thais Mesquita die die Natur perfekt ein. Die Bilder geben das wieder, was in der Geschicht angesprochen wird. Sie sind groß, deutlich und nicht überladen, so dass es kaum Ablenkung gibt. Mimik und Körpersprache sind durch die Illustrationen deutlich zu erkennen und nachzuempfinden. Sehr gelungen, wie ich finde.

Eine zauberhaft illustrierte und zum Teil herzerwärmende Bilderbuchgeschichte über Veränderungen, die kleine Geschwister mit sich bringen können, deren Umsetzung leider an der einen oder anderen Stelle in meinen Augen nicht ganz gelungen ist.