Als Einzelgänger hat Sam Mühe, Freunde zu finden. Seine vielbeschäftigten Eltern - die Mutter Ministerin im englischen Kabinett, der Vater ihr Sekretär und engster Vertrauter haben kaum Zeit in ihrem durchgetakteten Alltag für ihn. Zum Glück war sein älterer Bruder Jason, hervorragender Fußballspieler und hilfsbereiter großer Bruder, verantwortungsbewusster Sohn und beliebter Schüler immer für ihn da. Doch eines Tages teilt Jason seiner Familie mit, dass er sich schon seit Jahren als Mädchen fühlt. Oder besser: dass er schon immer ein Mädchen ist und endlich seine wahre Identität offen leben will. Er will keine Lüge mehr Leben. Diese Nachricht schlägt ein wie eine Bombe und droht alle auseinanderzureißen. Sam, der den großen Bruder liebt und bewundert, kann das einfach nicht verstehen. Denn was machst du, wenn dein Bruder dir sagt, er ist überhaupt nicht dein Bruder? Dass er denkt, er ist eigentlich … deine Schwester? Und die Eltern weigern sich, das Thema überhaupt ernst zu nehmen.
John Boyne hat in diesem Roman aber nicht Jason/Jessica in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt, sondern den zwölfjährigen Sam, seine Gefühle, Gedanken und was ihm durch das Outing seines 17 -jährigen Bruders widerfährt, denn schnell wird der ohnehin schon einsame Sam zum Mobbingopfer seiner Mitschüler. John Boyne geht es also vor allem um die Reaktionen in Jessicas Umfeld.
Es ist schon sehr erschütternd wie das Umfeld, besonders aber die Eltern reagieren. Sie haben hauptsächlich Angst um ihre Karriere. Schleppen Jessica zu einem Psychologen und erfragen sogar, ob es nicht eine Elektroschocktherapie oder Medikamente "dagegen" gibt. Dies fand ich tatsächlich etwas übertrieben an der Geschichte. Auch Jessicas Verhalten finde ich zum Teil nicht sehr realistisch, denn sie ist der Inbegriff von Vernunft und Klugheit und geht unheimlich mutig und reflektierend mit allem um. Und am Ende? Ja, da ist tatsächlich plötzlich alles gut. Übertrieben gut. Die Eltern besinnen sich, stellen die Karriere in den Hintergrund und stehen zum Outing ihres Kindes. Trotzdem oder gerade deswegen ernten sie in der Öffentlichkeit Zuspruch und steigen auf der Karriereleiter empor. Sam kann sich mit dem Gedanken nun eine Schwester zu haben auch anfreunden. Und Sams Erzfeind wird plötzlich zum besten Freund.
Aber nichts desto trotz hat mir der Roman gefallen, hat mich berührt und nachdenklich gestimmt und den Schreibstil fand ich genial.